Siebzehn Jahre lang war Kathrin Köster als Professorin für internationales Management, Unternehmensführung und Organisation an der Hochschule Heilbronn tätig. Durch ihre langjährige Erfahrung als internationale Managerin sowie als Beraterin verschiedenster Organisationen in Europa, Asien und Nordamerika blickt sie weit über den Tellerrand hinaus und ist überzeugt, daß wir in allen Lebensbereichen einen Perspektivenwechsel benötigen. Diesen notwendigen Transformationsprozeß aktiv zu gestalten, ist ihr Anspruch und ihr Lebensinhalt. Wer Kathrin Köster kennt, schätzt vor allem ihre vorbehaltlos positive Einstellung, ihren Enthusiasmus und ihre Begeisterung.
Liebe Kathrin, wir leben in besonderen, geradezu historischen Zeiten. Selten zuvor wurde uns so spürbar bewußt, auf welch tönernen Füßen unsere alten Lebenskonzepte stehen. Vieles gerät derzeit ins Wanken, und so mancher von uns muß sich komplett neu erfinden. Wie erlebst du das aktuelle globale Geschehen?
Kathrin Köster: Kurz gesagt, als sehr anstrengend! Auf der einen Seite fühlt es sich an, als erlebte ich alle meine Alpträume auf einmal: Eingesperrt sein, bevormundet werden, mit Willkür konfrontiert sein, als Minderheit ausgegrenzt sein. Ich habe einige Monate gebraucht, bis ich meine innere Balance wiederfand und es mir gelang, die andere Seite dieser Situation zu sehen: Den unerbittlichen Spiegel für mich selbst. Was berührt mich nach wie vor unangenehm? Wogegen möchte ich in den Kampf ziehen, obwohl ich weiß, daß der Kampf allem, wogegen ich kämpfe, nur noch mehr Energie schenkt?
Diese Zeiten sind der Schleudergang einer Waschmaschine, die alle Lebensbereiche erfaßt. Wer sich dem Schleudern nicht widersetzt, kann letztlich gereinigt der Trommel entsteigen, das heißt, mit größerer innerer Klarheit darüber, wer man ist, und was man im und vom Leben will.
Du befaßt dich seit vielen Jahren mit dem Thema Transformation. Wie kam es dazu? Kannst du uns kurz deinen Werdegang schildern?
Kathrin Köster: Wenn wir Transformation als tiefgreifende Veränderung eines Systems verstehen, dann war dieses Thema bei mir schon in Teenager-Zeiten aktuell, wo ich mich auf der Suche nach dem tieferen Sinn von Philosophien angezogen fühlte, die das universelle Ganze mit dem ‚Kleinen’, dem einzelnen Menschen, verbinden. Konkret waren das der philosophische Konfuzianismus und der Daoismus. Ich fühlte mich so von diesen ganzheitlichen Denkwelten angezogen, daß ich beschloß, ihnen so nahe wie möglich zu kommen. So studierte ich Sinologie und Japanologie neben Wirtschaftswissenschaften und machte mich auf den Weg nach Ostasien.
Allerdings hatte ich nicht bedacht, daß es recht unwahrscheinlich ist, daß die Menschen dort noch Philosophien leben, die vor über 2.500 Jahren entstanden waren. In China wurde damals gerade die Macht des Geldes entfesselt, was mich sehr enttäuschte, und so wendete ich mich nach Japan, wo ich in der Alltagskultur mehr fand, das mich faszinierte. Das galt vor allem auch für die Unternehmen, die irgendwie ganz anders tickten als die im Westen. Ich promovierte schließlich zum Thema Unternehmenstransformation in Japan, wurde Bestandteil eines solchen Unternehmens und freundete mich mit dem Zen-Buddhismus an.
Vor allem hat mich beeindruckt und befremdet, wie das Kollektiv ‚funktioniert’, und wie der Einzelne dazu gebracht wird, sich bedingungslos anzupassen. ‚Do it anyway’ lautete die Parole. Offen gestanden, hat mich das Leben in Japan an meine Grenzen geführt: Sowohl, was die Komplexität der vielschichtigen Sprache angeht, als auch mein Wille und meine Fähigkeit zur ‚bedingungslosen’ Anpassung. In dieser ‚Grenzerfahrung’ habe ich wertvolle Erkenntnisse darüber gewonnen, wie ich von meiner eigenen Kultur geprägt wurde, was mich ausmacht, und was für mich persönlich ein lebenswertes Leben ist. Das hat mich Stück für Stück in die persönliche Transformation eintauchen lassen, was sich dann immer mehr auch zum Fokus meiner Wissens- und Erfahrungsvermittlung entwickelte.
Du warst lange als Professorin für internationales Management, Führung und Organisation an der Hochschule Heilbronn tätig. Die Themen wirken auf den ersten Blick etwas kopflastig. Du selbst aber scheinst alles andere als ein verstandesgesteuerter Zahlenmensch zu sein. Wie paßt deine Leichtigkeit zu dem Berufsbild des dauergestreßten Managers?
Kathrin Köster: Ja, tatsächlich sind die Grundthemen vieler Unternehmen noch immer Kampf, Krampf und Druck, obwohl schon seit den 1960ern die Erkenntnis verbreitet ist, daß Menschen dann produktiver sind, wenn sie intrinsisch motiviert sind und das gerne tun, was sie tun.
Ich habe mich dem Themenkreis der Unternehmensführung immer über Kulturen, sowohl Landeskulturen als auch Unternehmenskulturen, genähert, und ein Gleichgewicht zwischen Strategie, Struktur und Kultur postuliert, vor dem Hintergrund des ‚Triple Bottom Line’, also der Balance zwischen finanziellem Ergebnis und Bedürfnissen der Umwelt und der Menschen (profit, planet, people). In den letzten Jahren habe ich den Fokus darüber hinaus auf den Unternehmenszweck gelegt als Antrieb des unternehmerischen Handelns. Über die Kultur und den ‚Purpose’ bindet man die Gefühle und den Enthusiasmus der Individuen ein. Das Ganze habe ich zu einem Denk- und Handlungsmodell weiterentwickelt, den so genannten 12 Alignments, als Rahmen meiner Transformations-Managementkurse.
Mit diesem Ansatz habe ich meine Vorlesungen inhaltlich so gestaltet, daß sie mit mir als Person in Einklang standen. Was ich nicht ändern konnte, war die Starrheit eines bürokratischen Systems verbunden mit Prüfungen, die auf Wissensabfrage zielen anstatt auf das Erlangen eines tieferen Verständnisses.
Eines Deiner Hauptthemen ist die Menschen- und Mitarbeiterführung. Auch hier findet derzeit ein Umdenken statt. Die hierarchischen Strukturen lösen sich immer mehr auf und werden durch Begriffe wie Empathie, Kooperation oder gar „Freude an der Arbeit“ ersetzt. Was hat sich denn fundamental im noch jungen 21. Jahrhundert verändert? Und was muß sich noch ändern, damit Beruf und Lebensfreude sich nicht mehr ausschließen?
Kathrin Köster: Das sind viele Schlagworte … Ich denke, daß wir im Laufe dieses Jahrhunderts sehen werden, daß die riesigen Konzerne, bei denen viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen damit beschäftigt sind, sich mit Prozeßvorschriften gegenseitig auf Trab zu halten, untergehen werden. Ich selbst versuchte ein Jahr lang in einer Einheit eines solchen Konzerns herauszufinden, was denn nun das tatsächliche und greifbare Ergebnis der Arbeit dieser Einheit ist – allerdings ohne Erfolg. Die Menschen, die in diesen Strukturen arbeiten, sind deshalb oft frustriert und weit weg von sich selbst.
Von daher ist es nicht verwunderlich, daß viele junge Menschen nicht mehr in solche Moloche wollen. Sie wollen nicht mehr ‚funktionieren’, sondern einen für sie sinnstiftenden Beitrag leisten. Sie wollen ihr Leben nicht mehr ‚absitzen’ und auf die Rente warten. Wollen die bestehenden Organisationen überleben, so müssen sie sich öffnen, und vor allem die Führungsebene muß erkennen, daß die zunehmende Komplexität in allen Bereichen nur dadurch gemeistert werden kann, daß systemisch und systematisch die Perspektiven und das Können aller Organisationsmitglieder eingebunden werden. Das erfordert Offenheit, die Kunst, mit Fragen einzubinden, und den Willen, wahrhaftig zuzuhören. Eine sehr große Umstellung für diejenigen, die in einer Welt sozialisiert wurden, in denen Manager Kraft ihrer Stellung alle Antworten haben und ‚Anweisungen’ erteilen.
Du bist die Begründerin der Joy Academy (www.joy-academy.eu). Diese wirbt mit dem Slogan: „Clarity with Joy – Es ist Zeit für innere Veränderung!“ Die Frage aller Fragen: Wie überwinden wir unser altes, oft ferngesteuertes Ego und transformieren uns selbst hin zu einem freien, freudevollen und vor allem selbstgeführten Leben?
Kathrin Köster: Haha, das ist keine Werbung, sondern eher unser Motto und das, was wir selbst als Mitglieder dieser fluiden Netzwerk-Organisation tun. Um auf die Frage aller Fragen einzugehen: Schritt eins lautet: „Ja, ich will“ – wie vor dem Traualtar! Wenn man nicht fest entschlossen ist, sich zu transformieren, wird es nicht funktionieren. Das ist kein ‚Nebenjob’, sondern das ist für ein paar Jahre oder ein ganzes Leben lang die Hauptbeschäftigung.
Der zweite Schritt: In kleinen Etappen vorangehen, die daraus bestehen, daß man die eigenen mentalen und emotionalen Muster erkennt und wie bei einer Inventur aufnimmt. Dabei hilft unter anderem die Weiterentwicklung von Körperbewußtsein, da der Körper durch Anspannungen oder sonstigen Zeichen des Unwohl-Seins klar verdeutlicht, wo es ‚drückt’. So kann man Muster um Muster ‚deaktivieren’. Sobald man ein Muster erkannt hat, verliert es an Macht. So deaktiviert man Schritt für Schritt seine Autopiloten und gelangt zu einem bewußten und selbstbestimmten Leben.
Diesen Prozeß kann man freudvoller und dynamischer gestalten, wenn man sich selbst als ein Team begreift, ein inneres Team, dessen vier Mitglieder, die „Formies“ (www.theformies.com) man immer besser kennenlernt. So kann man ein ‚ernsthaftes’ Wörtchen mit dem Verstand, „Mr. Mind“, reden, der schon wieder die alte Platte von ‚Wenn das mal gutgeht’ auflegt, und auch „Buddy Body“, den Körper, direkt dazu befragen, was er gerade essen möchte, statt dem zu folgen, was im jüngst erschienenen Ernährungsberater steht.
Kürzlich hast du ein neues Buch veröffentlicht: „Inner Leadership – Selbstbewußt und authentisch führen“. Kannst du uns erzählen, worum es in dem Buch geht und warum wir es unbedingt lesen sollten?
Kathrin Köster: Gerne. Dieses Buch ist ein Selbst-Transformationsprogramm, dem man Schritt für Schritt folgen kann, mit Werkzeugen, Übungen, und Videos. An erster Stelle steht nicht das ‚Durchlesen’, sondern das Umsetzen. Es ist dann am besten genutzt, wenn man sich die Zeit nimmt, die Werkzeuge auszuprobieren und zu erforschen, wieso man denkt, was man denkt, was einem der Körper in verschiedenen Sprachen sagen möchte, die man bisher noch gar nicht als solche erkannt hat, und was das Herz so im Stillen ausbrütet, ohne daß man sich darüber im Klaren ist. Wenn man sich selbst in diesen Transformationsprozesß begibt, entwickelt man als eine Art Nebeneffekt Qualitäten weiter, die in diesen Zeiten sehr hilfreich sind, egal, welchen Beruf man (gerade) hat: Mut, Offenheit, Resilienz, Wertschätzung, Fokus und Umsetzungsstärke.
Zum Abschluß noch ein paar Gedanken zum Hauptthema dieser NATURSCHECK-Ausgabe, der Freiheit. Viele Menschen hadern derzeit mit den sehr autoritären politischen Maßnahmen, durch welche unsere Freiheitsrechte massiv eingeschränkt werden. Du propagierst den Weg nach innen, hin zur inneren Freiheit. Was bedeutet für dich Freiheit? Und was kann der Einzelne tun – konkret, praktisch und im täglichen Leben –, um so frei wie möglich zu leben?
Prof. Dr. Kathrin Köster: Puh, zunächst kommt mir das Wort „Entkopplung“ in den Sinn, so daß ich nicht mehr ‚steuerbar’ von außen bin. Das führt mich zum Anfang dieses Interviews. Ich habe mich selbst immer wieder aus dem ‚Hader-Modus’ geworfen und mich beim Rezipieren von Nachrichten gefragt, welche konkreten Ängste mich bei dieser Meldung bedrängen. Auch wenn diese Ängste nicht vollkommen abzuschalten sind, hilft die innere Klarheit, in der Ruhe zu bleiben. In diesem Sinne ist Freiheit innerer Frieden, begleitet von dem Wissen, daß ich das empfange, was ich aussende.
Ganz konkret kann uns das ‚Fokus-Ritual’ schnell aus Opfer-Gedanken katapultieren, die sich immer wieder einschleichen und den inneren Frieden stören: Es ist letztlich egal, was man gerade tut, man kann aus jeder Tätigkeit Energie und Zufriedenheit ziehen, wenn man sie mit voller Hingabe erledigt. So kann mir sogar das Fensterputzen dazu dienen, innerlich Freude zu empfinden, indem ich jeden Augenblick voll meine Aufmerksamkeit auf diese Scheibe lenke, die in frischem Glanz erstrahlt. Ähnliches kann ich beim Kochen oder Duschen tun. Mein innerer Frieden ist somit unabhängig von bestimmten Tätigkeiten. Ich kann ihn in allem finden, natürlich auch im Atmen.
So gewinne ich Freiraum, indem ich mich selbst bzw. mein Selbst stärke, statt meine Energie auf Menschen zu verwenden, die sich noch an die Sicherheit von Kontrolle und Macht klammern. Je mehr Menschen das schaffen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, daß sich die innere Freiheit auch wieder in äußerer Freiheit zeigt!
Liebe Kathrin, ganz herzlichen Dank für das interessante und sehr inspirierende Gespräch.
Das Interview führte
Michael Hoppe
Weitere Informationen & Kontakt
www.joy-academy.eu
www.koesterpartner.de