Kinder brauchen ein Naturverständnis, ein Bild von der Welt und ihrer Schönheit

Interview mit A. Gramming-Steinland

von Michael Hoppe

Daß Natur, Umwelt und Klima keine reinen Erwachsenenthemen sind, sondern man nicht früh genug mit der Bewußtseinsbildung beginnen kann, hat die Naturschützerin und Kinderbuchautorin Agnes Gramming-Steinland früh erkannt. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Meeresbiologen Michael Steinland, und den beiden Söhnen, ist so die ökologische Kinder-Buchreihe „Der Biotologe Yann“ entstanden.

Liebe Frau Gramming-Steinland, wie kommt man auf die Idee, Bücher zum Thema Klimawandel für kleine Kinder zu machen? Ist dieses Thema überhaupt schon wichtig für diese Altersgruppe?

Agnes Gramming-Steinland: Das kommt darauf an, wie man Klimawandel interpretiert. Wenn man das Thema für kleine Kinder aufbereiten möchte, so denke ich, daß es in erster Linie darum geht, ihnen unsere Erde in ihrer Vielfalt und Schönheit nahe zu bringen, in ihnen die Liebe zur Natur zu wecken. Für mich fängt Umweltbildung genau hier an.

Meine Erfahrungen als Künstlerin beim Kindertheater, mit meinen eigenen Kindern oder in den 90er Jahren beim Aufbau des NABU-Informationszentrums Blumberger Mühle im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, haben mich gelehrt, aufmerksam zu sein für die Wahrnehmungen der Kinder. Wir sind damals in der Blumberger Mühle neue Wege in der Umweltbildung gegangen und haben eine sinnliche Erlebnisausstellung gebaut. Das war neu, Umweltbildung spielerisch mit Geschichten auch für kleinere Kinder aufzubereiten. Deshalb war ich 2012 erschrocken, als ein Mitarbeiter des Umweltministeriums mir sagte: Kleine Kinder seien nicht ihre Zielgruppe. Umweltbildung finge mit der Grundschule an … Da waren wir an der Basis schon weiter.

Ein wesentliches Element ist hierbei die Ausbildung von Empathie, von Mitgefühl für die Belange des anderen. Wir hatten zum Beispiel in der Ausstellung einen „Sprechenden Baum“, der den Kindern aus seinem Leben erzählte. Das bleibt haften, denn da ist Emotion. Und die Kinder werden innerlich berührt.

Aber wichtig ist auch, die Kinder zur Aktivität zu inspirieren. Deshalb gibt es auch extra ein Buch aus Brandenburg mit heimischer Natur. Hier können die Kinder viel entdecken, und sie werden hoffentlich animiert, selber hinaus in den Wald zu gehen und eigene positive Erfahrungen zu machen. Freies Spiel in der Natur ist nicht mehr selbstverständlich. Meist spielen die Kinder in von Erwachsenen geplanten Spiellandschaften. Das geht soweit, daß die Natur sogar als feindlich wahrgenommen wird.

Wann und warum betrachten Kinder die Natur als feindlich?

Agnes Gramming-Steinland: Ich habe Kinder erlebt, die wollten ihren Ball wegen der „Zeckengefahr“ nicht aus einer hohen Wiese holen. Ist das nicht traurig? Mir gibt das immer wieder zu denken. Denn etwas, das ich als feindlich betrachte, das werde ich nicht schützen. Und so schreitet die Entfremdung voran.

Was macht das mit uns, wenn wir das Gefühl verlieren, Teil dieser Welt, der Natur zu sein? Wenn alles den menschlichen Bedürfnissen untergeordnet wird? Hier Empathie und Feingefühl auszubilden, ist auch eine Art, über den Klimawandel zu sprechen. Eine Ahnung genau davon zu vermitteln, daß wir Teil der Natur sind. Das ist das Ziel unserer ökologischen Kinderbücher:

So sagt z.B. in der Geschichte am Great Barrier Reef ein alter Fisch zum kleinen Forscher Yann: „Ja, ja, wär es doch nur nicht so heiß, alles wäre leichter, hätte ich ein Eis.“

„Heute ist es aber auch besonders warm“, mischt sich ein Doktorfisch ein. „Meine Flosse, ich werde schon ganz schön lahm.“ Yann antwortet, daß es ihm doch eher kalt im Wasser sei.

Dieser kleine Dialog weist auf unterschiedliche Wahrnehmungen hin. Dem Menschen ist es eher kalt, den Fischen eher warm. (Natürlich ist das Ökosystem Korallenriff etwas komplizierter – aber das wird im Glossar erklärt). Hier merkt ein Kind, daß es unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Und es lernt, daß es eine Veränderung gegeben hat.

Wenn Kinder nun mehr wissen wollen, können sie den Vorlesenden fragen. Jedes Buch hat ein Glossar, so daß Eltern oder Erzieher nachschauen können, wenn sie etwas nicht wissen, um es dann den Kindern erklären zu können. Ältere Kinder lesen dies auch gerne selbständig.

Meines Erachtens ist es wichtig, so früh als möglich Empathie zu entwickeln, zu sehen, daß jedes Lebewesen, jede Pflanze in der Natur unterschiedliche Bedürfnisse hat – und sich zu fragen, wie kann man die in Einklang mit den unseren bringen. Wir sind eine Welt! Und ich denke, das zu akzeptieren und überhaupt zu empfinden, ist eine große Aufgabe.

Warum haben Sie die Fotografie als Darstellungsmedium gewählt?

Agnes Gramming-Steinland: Unser Sohn Yann liebte Fotobücher. Das sind aber fast immer Sachbücher. Also fing ich an, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Bald stand die Idee, die Genre zu mischen.

Sensibilisiert für das Thema Naturschutz durch meinen Mann – er hat Meeresbiologie studiert – und meine Zeit beim NABU, recherchierte ich über Themen, Interessen und Möglichkeiten. Das Thema Klimawandel war zu der Zeit nicht populär, aber erschien mir wichtig und aktuell. Dieses Thema als spannende Geschichte kindgerecht zu erzählen und mit Fotos zu illustrieren, war ein ganz neuer Ansatz im Bereich der Kinderliteratur, aber auch der Umweltbildung.

Mein erwachsener Sohn war damals auf dem Weg zum Fotografen und hat mit Yann ganz wunderbar gearbeitet. Um die Fotos zu machen, mußten wir die Orte bereisen. Die Recherche vor Ort, die Gespräche mit den Menschen, die Erlebnisse mit den Naturguides, vor allem die Interaktion zwischen ihnen, den Tieren und Yann, hat die von mir konzipierten Geschichten so mit Leben und Spontanität gefüllt, daß jeweils ein ganz lebendiges Kaleidoskop des Ortes mit seinen Realitäten entstanden ist. Diese Unmittelbarkeit konnte nur mit der Kamera eingefangen werden. Im Film ist diese Vermischung von Fantasie und Realität im Gegensatz zum Medium Buch übrigens vollkommen akzeptiert.

Aber heutzutage gehört ein Foto immer noch in ein Sachbuch mit einem Sachtext. Dabei befinden sich Kindergartenkinder aber in der sogenannten „magischen Phase“, in der Realität und Fantasie eins sind. Sie unterscheiden nicht zwischen den beiden Ebenen. Das Krokodil unterm Bett ist real. Es gibt interessante Untersuchungen, die nachweisen, daß Kinder am liebsten Fotos anschauen. Zeigt man eine Strichzeichnung, eine Buntstiftzeichnung, ein gemaltes Bild und ein Foto, immer vom selben Gegenstand, so greifen die meisten Kleinkinder zuerst zum Foto, schauen das Foto am längsten an und memorieren es am besten.

Das bedeutet, daß ein Foto mit einer fantasievollen Geschichte dem Kind sehr gut helfen kann, seine Umwelt kennen und lieben zu lernen. Die Identifizierung mit dem Gesehenen und Gehörten findet auf jeden Fall statt. Die Erfahrungen des kleinen Biotologen Yann werden zu den Erfahrungen des Kindes, und so lernt es zum Beispiel, daß die Tiere freundlich und hilfsbereit oder in Not sind und Hilfe brauchen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit den Öko-Büchern für Kinder bei Lesungen gemacht?

Agnes Gramming-Steinland: Ich habe viele Lesungen abgehalten, und die Kinder sind ganz aufmerksam und lieben die Geschichten. Sie sind neugierig und wollen dies und jenes wissen, vor allem, ob Yann die Tiere wirklich gesehen hat. Die älteren Kinder, so etwa ab acht Jahren, möchten dann wissen, ob das genauso stattgefunden hat. Wenn man dann erzählt, daß manches auch erfunden ist, wir das aber wie im Film gemacht haben, finden sie es cool. 0

Eine meiner schönsten Erfahrung war, als ein kleiner Junge bei uns im Dorf zu mir kam, sich vor mich stellte und sagte: „Ich bin auch ein Biotologe!“. Das war so reizend, und er zeigte mir einen Käfer, und ich dachte: „Wow, das ist schon schön, zu erreichen, daß ein Kind die Geschichte in seine Realität transformiert.“

Und so schließt sich der Kreis des emotionalen Lernens, daß die in dem Buch vorgelebte positive Erfahrung dem Kind ein Bild der Welt gibt und das Motto „Eine Welt für alle“ spiegelt.

Ich meine, wir haben nur diesen Planeten und sind alle in gewisser Weise miteinander verbunden, schon allein dadurch, daß wir alle dieselbe Luft atmen. Und das sollten wir niemals vergessen. Wir sind alle Teil des Systems Erde. Kleine Kinder wissen das, und wenn wir diese Erkenntnis in den Kindern lebendig halten, dann haben wir sehr viel Gutes für das globale Klima im weitesten Sinne erreicht.

Liebe Frau Gramming-Steinland, wir bedanken uns herzlich für das interessante Gespräch.

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