Wie würden Sie den Zustand der heutigen Welt beschreiben? Ist sie eine wirkliche Heimat für Sie und für alle Menschen, sowohl für die Erwachsenen als auch für die Kinder? Eine Heimat, in der wir uns alle geborgen fühlen und uns in Frieden und Freiheit (weiter-)entwickeln können? Sind wir alle Teil einer großen Menschheitsfamilie?
Lassen Sie uns einmal in eine spirituelle Vorstellungswelt eintauchen. Dabei möchte ich folgende Thesen aufstellen, deren Überprüfung sich jeder anhand seines eigenen Lebens(-weges) widmen kann:
Wir sind Kinder der Trinität, des dreieinigen Gottes. Stellen Sie sich einmal so bildlich und lebhaft wie möglich vor: die Trinität hätte sich getrennt, und ihre Wesensglieder sind seither im Unfrieden miteinander. Schon allein beim Lesen dieses Satzes könnte sich eine mehr oder weniger starke Regung in Ihrer Seele bemerkbar machen. Wenn nun Ihre lebhafte Vorstellung dazukommt, werden Sie ein Gefühl in Ihrer Seele wahrnehmen, das sich ähnlich anfühlt wie ein real durchlebter Verlust oder aber eine real erlebte bedrohliche Situation. Dies deshalb, weil Ihre Seele weiß, daß diese Trennung ihr Ende bedeuten würde. Nicht nur, daß sie keine Heimat mehr hätte, es würde sie förmlich zerreißen.
Alle drei göttlichen Wesenheiten leben in unserer Seele. Stellen wir uns den Heiligen Geist als (mütterliche) Quelle der Inspiration vor, Christus als die geschwisterliche Liebe, und Gottvater als den väterlichen Willen, der sich auch in unseren Handlungen zeigt. Sie stehen uns jeweils als reine Seelenkräfte zur Verfügung, wenn wir sie ergreifen. Und das ist wichtig: WIR müssen sie mit unserem ICH ergreifen, denn sonst wirken nicht wir in unserem Denken, Fühlen und Wollen in Verbindung mit der Trinität, sondern andere Wesenheiten.
Das Urbild der Schöpfung ist die Einheit
Wir wissen bereits aus eigener Erfahrung: Wenn wir anders denken, als wir fühlen, oder anders handeln, als wir denken oder unser Reden nicht zu unseren Empfindungen paßt, dann erschaffen wir innerlich in uns Unstimmigkeiten bzw. Disharmonien. Es knirscht im Gebälk, der Apparat läuft nicht mehr rund, die Zahnräder passen nicht aufeinander. Und irgendwann explodiert das Konstrukt.
Wir waren nicht wahrhaftig, nicht ehrlich, sondern Heuchler in uns selbst. Jede Heuchelei zieht zwangsläufig Zerstörung nach sich, die sich mehr oder weniger heftig im Außen entlädt. Dies sei aber nur am Rande erwähnt, um zu verdeutlichen, was geschieht, wenn wir bereits in uns nicht harmonisch sind, sondern zersplittert.
Wenn nun diese reinen Kräfte an sich nicht mehr als Einheit zusammenarbeiten, dann würden sie – und dies sei ebenfalls als These in den Raum gestellt – sich in uns gegenseitig zerstören, was zwangsläufig die Auflösung unserer Seele bedeuten würde. Es wäre unser seelischer Tod. Unser Geist hätte kein Gefährt mehr, um Bewußtsein zu erleben – und somit gäbe es für uns keine Entwicklung mehr. Das Ergebnis ist unsere Auflösung im allgemeinen Geist, weil wir nicht mehr wissen, wohin oder zu wem wir gehören.
Unser geistig-seelisches Überleben und unsere gesunde Entwicklung als Kinder Gottes hängt von der Einheit und vom Frieden zwischen unseren »Eltern« ab – oder noch größer gefaßt: Es hängt ab vom Bestehen unserer göttlichen Familie.
Das Urbild der Schöpfung ist die Einheit, die sich aus verschiedenen, aber untereinander verbundenen Gliedern zusammensetzt. Und diese gegliederte Einheit – die Trinität – sah, daß das gut war. So lesen wir ganz am Anfang in der Schöpfungsgeschichte. Alles ging aus dieser klar gegliederten Einheit hervor, bis zum heutigen Tag. Unsere Seele und unser Geist können sich immer sicher sein, daß es diese Heimat gibt, die niemals aufhört zu existieren. Diese göttliche Familie ist in jeder Lebenslage für uns da, ob wir nun einverleibt auf der Erde leben oder im Jenseits. Wir können jederzeit die Verbindung zu ihnen aufnehmen, und das gibt uns inneren Halt und die feste Zuversicht, daß wir verlorenen Töchter und Söhne diese Familie vorfinden werden, wenn wir ernstlich zurückkehren wollen.
Bei dieser lebhaften Vorstellung wird dieses Mal ein anderes Gefühl Ihre Seele durchziehen, gleich einer Situation, in der Sie Erleichterung erfahren haben, ein Wohlsein und eine gewisse Geborgenheit. Das ist unser Geburtsrecht: Als Kinder der Einheit werden und sollen wir Einheit erfahren und auch leben, denn das entspricht unserer geistigen UrNatur.
Die spirituelle Bedeutung der Familie
Betrachten wir den Zustand der großen Menschheitsfamilie – und wir können erahnen, wie es in den einzelnen Familien aussehen könnte. Wir sind dabei, vieles (wenn nicht alles) zu zerstören – unsere Heimat, unser Innenleben – und verhindern somit eine fruchtbare Zukunft.
Gehen wir etwas tiefer: Wenn wir das Beispiel unserer Gotteskindschaft auf unsere leiblichen Kinder übertragen, dann können wir davon ausgehen, daß jedes Kind mit seinen Eltern eng verbunden ist. Die kleine Familie wird durch ein Band umschlossen, das hellsichtige Menschen sehen können. Sie ist sozusagen ein eigenständiges Wesen aus verschiedenen Wesensgliedern geworden, ähnlich der Dreieinigkeit im Großen. Die Seelen bilden eine Einheit, und das Kind, welches seine eigene Seele im Diesseits noch heranbildet, ist zu gleichen Teilen mit dem Vater und der Mutter verbunden. Die Seele des Kindes ist geradezu davon abhängig, in dieser umschließenden familiären Seelenhülle heranzureifen, welche sie sich schon im Jenseits als Wohn- und Landeplatz auf der Erde ausgesucht hatte, um sich nach ihrem individuellen Plan entwickeln zu können.
Eine entsprechend energische Trennung, von welcher Seite auch immer, ist wie ein durchgängiger Riß in dieser Hülle, der den Vater von der Mutter und umgekehrt trennt. Das entstandene Wesen »Familie« wird getötet, und ein Glied leidet besonders, da es direkt in der Mitte steht: Die Seele des Kindes.
Die Abspaltung von Seelenanteilen kann hier einen ihrer Ursprünge haben. Das Kind weiß nicht mehr, wohin es gehört und zu wem: Loyalitätskonflikte können entstehen. Es hat in vielen Fällen auch noch seine äußere Heimat verloren. Diese Abspaltung zeigt sich meistens dadurch, daß das Kind beim Vater evtl. andere Verhaltensweisen an den Tag legt als bei der Mutter. Ebenso wirkt der Vater anders auf das Kind ein, als es die Mutter tut.
Die Lebenskonzepte passen möglicherweise nicht mehr zusammen: das Kind nimmt da dieses in seine Seele auf, dort jenes. Es wird nicht mehr an einem Strang gezogen. Neue Partner kommen eventuell hinzu und machen das Konstrukt nur noch komplexer. Disharmonien in der Seele des Kindes können die Folge sein, und es weiß nicht, welche Lösung in welcher Situation angebracht wäre.
Innerhalb der intakten Familie gäbe es freilich auch unterschiedliche Lösungsansätze. Der beste wird jedoch im Idealfall gemeinsam gefunden, und so lernt das Kind die Herangehensweise des Vaters und der Mutter in einem gemeinsamen Prozeß kennen. Wir müssen uns so lebhaft wie nur möglich bewußt machen, daß gerade dieses Wesen Familie inkl. seiner heiligen Hülle das beliebteste Ziel von Mächten der Finsternis ist. Denn wenn hier Trennung erfolgreich erzeugt wurde, können sie den Einzelnen besser an sich binden und über ihn herrschen, was im weiteren Verlauf eine komplette Gesellschaft instabil werden läßt. Daher der Ausspruch: Teile und herrsche.
Ein Weiteres kommt dazu:
Eine jede Seele weiß, daß sie in sich die göttliche Familie aus der himmlischen Heimat trägt. Dieses Bewußtsein ging vielen Erwachsenen im Laufe des Erwachsenwerdens verloren. Aber die Seele des Kindes weiß gerade in jüngeren Jahren noch sehr genau, woraus sie entstammt und woher sie kommt. Da ist das Bewußtsein der Einheit, des Heilseins, wie es eben im Ursprung war, noch deutlicher vorhanden.
Das Kind versteht also die Welt nicht mehr: Wie können sich die leiblichen Eltern trennen, wenn die göttliche Familie, aus der ich hervorging, untrennbar miteinander verbunden ist, wenn es so etwas wie Trennung gar nicht geben kann? Es entsteht diese bedrohliche Situation, von der am Anfang die Rede war, und diese bohrt sich in die Seele als Erfahrung. Jedes Kind, das in eine Familie hineingeboren wird, ist somit ein Vertrauensvorschuß der Trinität an die Eltern, mit dem ihnen anvertrauten Kind gut umzugehen und Einheit immer wieder herzustellen, sollte sie da und dort verlorengehen.
Dieses Vertrauen wird leider zu oft mit Füßen getreten. Im Falle einer äußeren Trennung sollten daher die Eltern wenigstens innerlich miteinander verbunden bleiben, damit die Kinderseele erfühlen kann, was im Äußeren nicht mehr gelebt wird: Einheit, Ganzheit, Heilsein.
Aus esoterischen Richtungen liest und hört man oft den Einwand: Diese Kinder hätten sich dieses Trennungserlebnis ja vor ihrer Einverleibung ausgesucht, und somit sei alles im Einklang mit dem Karma des Kindes und der Eltern. Daß dies ein Irrtum sein muß, sollte aus den vorangegangenen Ausführungen ersichtlich sein. Was hierbei entsteht, ist lediglich neues Karma. Es muß ganz deutlich gesagt werden, daß eine solche Anschauung vom eigenen Fehlverhalten und dem Versagen, eine gegründete Familie in Liebe führen zu können, ablenken soll. Man beruhigt gerade die emotionalisierten Egos mit solch einem Selbstzuspruch, der, wenn er oft genug wiederholt wird, zu einem gefährlichen Glaubenssatz werden kann, der auch den geringsten Gedanken an eine Wiedergutmachung im Keime ersticken muß.
Gegenseitige Vergebung und eine mögliche Versöhnung werden so verunmöglicht, da die Herzen verhärtet werden. Aber gerade diese Versöhnung wäre die dringend notwendige Heilung, um Karma auflösen zu können und sich davon zu befreien. Gerade das Karma hat die Familien in der gegenwärtigen Einverleibung wieder zusammengeführt, um ihnen eine Möglichkeit zu geben, es dieses Mal besser zu machen und nicht die gleichen Fehler aus vergangenen Inkarnationen zu wiederholen. Niemand hat gesagt, daß dies einfach wäre.
Aus seinem Karma zu lernen, heißt, das Leben in der Einheit zu lernen. Und hier müssen wir nun mal in den Familien beginnen, wo sonst? Dies gilt sowohl für die Familie, die neu gegründet wurde, als auch für die Herkunftsfamilie. Die neue Familie kann nur dann erfolgreich werden, wenn die Verhältnisse in der Herkunftsfamilie geklärt und bereinigt sind, sofern notwendig. Sonst belastet die Vergangenheit die Gegenwart. Wenn der Leitsatz des Bösen ist: Teile und herrsche, dann sei der Leitsatz des Guten: Verbinde und befreie.
Das spirituelle Urbild der Familie
Wenn die kleinste Einheit in unserer Gesellschaft, die Familie, bereits den Kleinsten, den Kindern, zu oft keine Heimat mehr ist, wie soll dann jemals die große Menschheitsfamilie entstehen können? Jedem sei gesagt: Wer an der Zerstörung von Familien aktiv oder inaktiv beteiligt war und ist, lädt Gruppenkarma auf sich und darf bei der Wiederherstellung von Einheit und Frieden mitarbeiten.
Gerade die Politik der letzten Jahrzehnte hat die Familie zum Abschuß freigegeben. Beide Elternteile müssen teilweise zum Hauptberuf noch Nebenjobs nachgehen, um überleben zu können. Die gesamte Familie bleibt auf der Strecke. Helfen wir also mit, die Familien zu bewahren und zu stärken. Dies ist der größte Dienst, den wir an der Menschheit tun können, auf daß die Familie der Menschen wächst und gedeiht, der wir alle angehören. So schaffen wir den Himmel auf Erden – und genau das ist unser Auftrag, denn das Friedensreich besteht aus solchen Wesen, die dieses Prinzip erkannt haben und leben. Es ist unsere Vorbereitung darauf, wieder mit unserer göttlichen Familie vereint werden zu können.
Wir können die Bedeutung der Familie also wie folgt zusammenfassen: Wenn es das Urbild der Familie nicht gäbe, wäre keine Einheit, keine Verbundenheit möglich, also Eigenschaften, welche sich in einer Gesellschaft ausdehnen sollen. Familie ist dieses Urbild der Einheit und Verbundenheit, bestehend aus verschiedenen Wesenheiten als ihre Glieder, die miteinander in Liebe verbunden sind. Sie ist eine Heimat, denn da, wo deine Familie ist, fühlst du dich zu Hause. Die Glieder stützen und tragen einander, indem sie vergebend und versöhnend die Verbindung immer wieder erneuern.
Eine intakte Familie hat gelernt, den Mächten der Finsternis zu widerstehen und ist somit ein leuchtendes Beispiel für alle in ihrer Umgebung geworden. Aus ihr heraus fließen die Kräfte, die noch mehr Einheit entstehen lassen – alle Wesensglieder einer intakten Familie sind ihrer Verantwortung voll bewußt geworden. Die Familie ist unser Übungsplatz auf der Erde und somit die spirituelle Praxis überhaupt, um alles scheinbar Trennende zu überwinden, heil zu werden und um uns auf unsere göttliche Familie und Heimat vorzubereiten. Nehmen wir diese Praxis also ernst. Ganz nebenbei entstehen dabei große Schätze in der eigenen Seele: Zielstrebigkeit, Opferbereitschaft, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Pflichtbewußtsein, Ordnungssinn, Toleranz, Geradlinigkeit und Gewissenhaftigkeit.
Und so möchte ich allen Familien zurufen, in denen es beginnt zu bröckeln. In denen die Einheit gefährdet oder bereits zerbrochen ist: Bittet Christus um Beistand und geht auf einander zu. Er ist mitten unter euch, wo auch nur zwei versammelt sind. Denkt um, und stellt die Einheit wieder her. Denn es geht um unsere Zukunft. Und wo dies nicht mehr möglich ist, so bleibt mit seiner Kraft dennoch innerlich miteinander verbunden, auch wenn mittlerweile eine neue Familie gegründet wurde. Mögen in dieser neuen Familie dann diese Kräfte der Einheit wirken und auch das Bewußtsein, daß diese neue Chance ein ganz besonderes Gnadengeschenk ist.
Laut dem aus der Anthroposophie bekannten Weltenplan entwickelt gerade die gesamte Menschheit und somit jeder einzelne Mensch ein neues Seelenglied in sich: Die sogenannte Bewußtseinsseele. Dies ist ein Geburtsprozeß, und dieser dauert und ist schmerzhaft. Aber wenn diese Bewußtseinsseele erst einmal geboren wurde, dann wird es – und dies soll alle aufgeführten Thesen abrunden – keine Trennungen und Spaltungen innerhalb von Familien mehr geben. Bewußte Familien erkennen Spaltungen bereits im Keime. Und dies wirkt sich dann auf jeden Einzelnen in der Gesellschaft aus.
Nehmen wir unseren Teil der Verantwortung also an und arbeiten mit am Weltenziel, das von Rudolf Steiner einst prägnant zusammengefaßt wurde:
»Denn es müssen in Zukunftszeiten die Menschen füreinander sein, und nicht einer durch den anderen. Nur so wird das Weltenziel erreicht, wenn jeder in sich selber ruht, und jeder jedem gibt, was keiner fordern will.«
Autor:
Daniel Firnkorn